Auszug aus Unbequem

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H.Scharff
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Auszug aus Unbequem

von H.Scharff am 01.12.2009 18:44

Mutter,Vater,nichts


Es ist ein verfickter Sonntagnachmittag im August, als ich die schlimmste Wahrheit meines bisherigen Lebens erfahre.
Die Liebe ist ein scheiß Spiel, lässt du dich drauf ein, bist du verloren!
Auch meine Eltern haben sich auf dieses Spiel eingelassen, sind beide All In gegangen, hatten beide nur eine Straße, zu wenig!
Die Liebe gewinnt das Spiel für sich. Full House.

Ein Full House wird es bei uns nun nicht mehr geben, nur noch einen Drilling, bestehend aus meinem Vater, meinem Bruder und mir.
„Ich werde ausziehen, mich scheiden lassen!“ Das waren die verfickten letzten Worte meiner Mutter an diesem verfickten 1. August.
Ich war auf mein Zimmer gerannt, war an mein Zimmer gerannt, immer mit dem Kopf gegen die Wand. Tränen fielen aus meinem Gesicht.
„Hat der Liebe Gott das so gewollt?“
Ich schlug in mein Gesicht, immer feste drauf. Immer rein in das unerwünschte, kleine, runde Kindergesicht. Danach noch die Oberschenkel und Arme aufgekratzt, bis das Blut läuft. Scheiß Gliedmaßen an einem scheiß Körper.
Ich mag ihn nicht und auch niemand sonst. Doch ich muss mit ihm leben.
Muss in ihm leben!

Nach der Trennung meiner Eltern ist meine Mutter wieder bei ihren Eltern eingezogen und ich habe das Rauchen angefangen.
Das is nun 1 Jahr her, mittlerweile bin ich 11 und noch immer in meiner grausamen, fleischernen Hülle mit dem unerträglichen Gesicht gefangen.
In der Hülle die den Namen Antje Schaber trägt.

Ich war kein Wunschkind, mein Dad wollte sowieso nie Kinder.
Hat sich zu dumm angestellt, denn nun hat er zwei.
Als ich auf die Welt kam war mein Bruder Mike bereits 4 Jahre alt und mein Vater hatte sich langsam an dieses kleine fressende, scheißende und stinkende Stück Fleisch, welches im Zuge seiner eigenen Fleischeslust entstanden war, gewöhnt. An mich hat er sich bis heute nicht gewöhnt, mich von Anfang an verabscheut. Meiner Mutter in den schwangeren Bauch geschlagen. Doch wieder war er zu blöd, hatte mich nicht abgetrieben bekommen. Armer Vater, erst zu doof eine weitere Ausgeburt seines Samens zu verhindern und dann auch noch zu dumm, dieses Leben im Anfangsstadion, ins Endstadion zu befördern.
Armer verkackter Idiot!
Nach der Schule fuhren Mike und ich immer zu meiner Mom, verbrachten gemeinsam den Tag mit ihr, und nach der Arbeit
holte uns mein Vater wieder zu sich.
Fragte uns aus, was die alte uns wieder versucht hatte einzureden.
Versuchte uns gegen sie aufzuspielen. Immer wieder.
Sticheleien. Leid. Ein weiterer Tag.
Schule, Mutter, Vater, Verhör, schlaflose Nächte. Ein halbes Jahr!

Im September fuhr meine Mutter nach Chile, dort sollte sie 3 Monate bleiben.
Es war das erste Weihnachten, ohne sie.
Schule, Einsamkeit, Vater, Schläge, durchheulte Nächte.
Ein weiteres halbes Jahr.

Am 8. März, wurde ich dann 12 Jahre alt.
Das Geschenk meiner Mutter, sie kommt nicht mehr aus Amerika zurück.
Das Geschenk meines Vaters, Wutausbrüche, Beleidigungen, Tritte, Schläge.
Das Geschenk Mike´s, sein Ausszug. Er ließ mich mit Vater allein.
Super Geburtstag. Super Leben!

Seitdem meine Mutter weg war, gab es keine Schönheit mehr in meinem Leben, nichts mehr worauf ich mich freuen konnte. Keine erholsamen Nachmittage mehr mit ihr, bevor die anstrengenden Abende mit meinem Vater begannen.
Jetzt gab es nur noch schwarze Tage. Nur ab und an in der Schule war eine Art silberner Schein vorhanden, doch Silber ist auch nur glänzendes grau!


Rosen bis zum Tot


Der Tag begann wie jeder andere auch. Aufstehen, die Tränen trocknen, sie überschminken, unerwünschte Nahrung in meinen bereits viel zu runden, unerwünschten Körper stopfen, Vater von seinem allabendlichen Alkoholrausch für die Arbeit wecken, mir erste Prügel dafür abholen, raus, rauchen, Schule.
Nichts Besonderes. Alles wie immer. Mein Leben.

In der Schule hatte ich kaum Freunde. Hatte eigentlich auch außerhalb von ihr nur zwei Freundinnen und so saß ich zur Mittagspause, wie immer allein, an einem viel zu großen, viel zu leerem Tisch.
„Hey, du sitzt ja so allein hier rum. Willst du nicht mehr essen als diesen kleinen Salat? Darf ich mich zu dir setzen? Ich bin Stefan!“
Sprach mich ein großer, schlanker, leicht schlacksig wirkender, aber dennoch gut aussehender, älterer Junge an.
„Nein, ich bin fett genug! Na klar, setz dich.“ Sagte ich.
„Achso, Fett bist du also. Stimmt, wo ich jetzt so deine Ohrläppchen betrachte.“
„Willst du dich über mich lustig machen?“
„Nein, eigentlich wollte ich heute Nachmittag etwas mit dir unternehmen.
Magst du Eis?“
„Nein!“
„Stimmt, du warst ja Fett genug. Was hältst du davon wenn wir durch den Park laufen und reden? Ich hol dich auch von zu Hause ab wenn du willst!“
„Wie alt bist du überhaupt und was willst du von mir?“ fragte ich ihn unsicher.
„16. Dich kennen lernen! Also, was sagst du?“
„Ja ok. Kann nichts schaden mal einen Nachmittag von zu Hause wegzukommen. 15 Uhr beim Park. Sei pünktlich!“


Er war pünktlich und sogar schon 10 Minuten vorher da. Er hatte mir eine rote Rose mitgebracht. Wir waren an diesem Tag circa 6 Stunden im Park unterwegs. Dann fuhr er mich nach Hause.
Hielt meine Hand.
Küsste mich.

Einige Dates folgten, jedesmal brachte er mir eine rote Rose mit, egal ob die Verabredung kurzfristig war oder nicht. Er erschien nie ohne.
Mein Dad wusste nichts von unserer Beziehung. Er wäre eh nur dagegen. Ein großer spacker sechzehnjähriger Junge, der auch noch kifft und seine zwölf jährige, unerwünschte Tochter. Nein, das ginge nicht.

Nach circa zwei Monaten, in welchen wir uns jeden Nachmittag traffen und zusammen was unternahmen, oder einfach nur stundenlang irgendwo saßen und redeten, bekam Stefan Arbeit und wir konnten uns nur noch Nachts treffen.
Er und seine Kumpels holten mich dann jeden Abend, wenn mein Vater schlief, gegen 23 – 24 Uhr in einem VW Bus ab. Stefan und ich mussten in den hinteren Teil des Busses, weil die Sitze komplett besetzt waren. Insgesamt saßen wir immer zu acht im Auto, mit welchem wir Nacht für Nacht in eine nicht all zu weit entfernte Disco namens „Pleasure“ fuhren.

Auf dem Weg dorthin wurde ich erstmal ordentlich geschminkt und aufgestylt. Da einige von Stefans Kumpels die komplette Türsteher Belegschaft kannten, war es absolut kein Problem, in diese ausgelutschte Scheuerhalle zu gelangen. Vor der Tür wurde erstmal ordentlich gekifft und sich drinnen gut mit Alkohol abgeschossen.

„Scheiße, das Leben ist eine Schlampe. Und nun geh und fick sie!
Lutsch den Nabel der Welt...“

Das war es, was ich mir Abend für Abend einredete.

„Lutsch die dreckigen, krüppeligen Schwänze, um zu Leben.
Lass dich vom beschissenen Leben ficken, um dieses einigermaßen erträglich weiterführen zu können. Für die Drogen!“


Anfangs nahmen wir ausschließlich Marihuana und Haschisch, später auch Ecstasy „Die Diamantdroge“ und Heroin „Den Heldenstoff“.
Nacht für Nacht ging ich Anschaffen, um das Zeug finanzieren zu können.
Stefan hatte mich in die Sucht getrieben und es gab keinen Weg hinaus, ohne ihn zu verlieren. Also verlor ich meinen Willen. Verlor meinen Stolz.
Verlor Meine Unschuld. Gott, ich verlor mein ganzes verschissenes Leben!

Ging es mal nicht in die Disco, saßen wir in irgendwelchen Einraumwohnungen, WG´s, oder Bungalows und konsumierten bis zur Besinnungslosigkeit, oder ich lutschte den Schwanz von irgendeinem Dealer, um einen Rabatt auszuhandeln, oder Schulden zu erlassen. Ich machte alles mit!
„Los du kleine, dreckige Schlampe, nun sieh schon endlich zu dass du ihn hart geblasen kriegst. Der hängt da nicht zum bräunen!“
Des öfteren wurde ich auch schlagkräftig angegangen, regelrecht missbraucht. „Was is du Fotze, bück dich schon endlich. Mein Schwanz friert hier draussen. Sieh zu dass du die Beine breit kriegst! Noch breiter!!“
Einmal hatte ich mich gegen die verbalen Tätigkeiten eines Dealers zu wehren versucht, ich bezahlte es mit einem äußerst schmerzhaften Branding auf meinen Schamlippen, welche danach auch noch wild aufgerieben wurden.

Monatelang ging das so. Verschwommene Monate, bestehend aus nichts als Bruchstücken der Erinnerung. In den meisten von ihnen hielt ich einen Schwanz, oder einen Joint in der Hand. Wenn es ganz schlimm war und ich überhaupt nicht mehr klar kam, war immer Chris, ein guter, älterer Freund Stefans, für mich da.

Es wurde Januar. Stefan hatte sich inzwischen auch verhurrt, um noch mehr Geld für unsere Drogen zu bekommen. Mittlerweile nahmen wir fast alles was der Markt zu bieten hatte. Dope, Crack, Koks, einfach alles! Tage des Rausches in welchen wir uns >>Ewig währende, treue Liebe, bis nach dem Tot!<< schworen. Es ging uns gut, wir hatten ausreichend Geld für sämtlichen Stoff.
Dann mischte Stefan, nachdem er vorher auch schon eine Menge Dope genommen hatte und total fertig war, Crack, Crystal und Heroin zusammen.
Wir waren alle selbst zu high, um ihn davon abzuhalten.
Er war total neben der Spur, hatte eine extrem verlangsamte Reaktionszeit und bekam kaum noch etwas von seiner Umwelt mit, lediglich dass es ihm an Kippen fehlte. Er lief Mitte Januar, gegen Mitternacht, nackt über die Straße,
um am Automaten Kippen zu ziehen.

Er rauchte ausschließlich „Lucky Strike“, diesem „Glückstreffer“ sollte er nun erlangen. Er hat es nie bis zu dem Automaten geschafft, rannte direkt vor ein Auto. Er war sofort tot!
Hinterließ nur mich und etwa 200 Rosen.
Ich konnte es nicht ertragen, verbrannte alle, bis auf eine.
Meine große Liebe hatte mich einfach allein gelassen.
Allein mit dieser neuen Drogenwelt. Allein mit tausend undefinierbaren Gefühlen. Allein mit mir selbst, die ich mich nicht mehr kannte.
Fremdkörper!

Always Hardcore!

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